Schreiben statt schweigen: 2000,- Euro Bucherlös für die Ökumenische Schulgemeinschaft

Erinnerung und Verarbeitung: Diese beiden Ziele standen im Mittelpunkt eines Buches, das der Verlag des Stuttgarter Gemeindeblattes im September 2011 herausbrachte. Geschrieben haben es überlebende Schüler des Amoklaufs in Winnenden. Der Reinerlös des Buches kommt jetzt der Ökumenischen Schulgemeinschaft zugute.

Der Wunsch, dass die Schülerinnen und Schüler sich selbst äußern können, habe am Anfang gestanden, erklärt Verlagsleiter Frank Zeithammer. Doch wie soll man schreiben, wenn man noch nie geschrieben hat? Der Kommunikationsprofessor und ehemalige Stern-Reporter Christoph Fasel (sein neuester Bestseller: „Samuel Koch - Zwei Leben“) erklärte sich daher bereit, eine Schreibwerkstatt anzubieten, zusammen mit den Religionslehrern Martin Gerke und Heinz Rupp, die die seelsorgerliche Begleitung übernahmen. Und so wurden zwei Ziele erreicht, wie Zeithammer betont: Die Schüler lernten, dass Schreiben Therapie sein kann und sie lernten einen medialen verantwortungsvollen Weg kennen, ohne dass es zu einer zweiten Traumatisierung kam.

„Ich schrieb einen Abschiedsbrief in den Himmel“, zitierte Christoph Fasel aus dem „Mutmach-Buch“. Er betonte, das Projekt habe den 74 Schülerinnen und Schülern Mut gemacht, sich zu öffnen und der Gefahr der Verdrängung zu entgehen. Er erinnerte an ein Mädchen, das zunächst stumm da gesessen war und völlig unter Spannung stand, bis sie ihre Fragen stellen konnte: Darf ich wieder lachen? Darf ich wieder tanzen? Darf ich wieder flirten? „Das war auch für mich etwas Besonderes“, erzählte Fasel. Diese Befreiung von Fesseln mitzuerleben.

„Das Projekt ‚Schreiben statt Schweigen’ gab mir die Chance, eine Art Abschiedsbrief an meine Schwester zu schreiben“, sagt Tatjana Hahn, 21. Sie verlor bei dem Amoklauf ihre Schwester Jaqueline. „Ich konnte durch das Schreiben mit ihr noch einmal meine Gedanken austauschen – und mich ein Stück mit dem Schicksal versöhnen.“ Ihre Mitautorin, Svenja Kurz, 16, erinnert sich: „Es war für mich wie eine Befreiung, den Text zu schreiben.“

50 von den 74 Schreibenden haben ihre Texte auch veröffentlicht. Es sei ein Prozess des Er-Innerns bis zum Ent-Äußern gewesen, beschreibt es Christoph Fasel. Er bewundert, wie die Jugendlichen das Vertrauen zueinander fanden, sich die Texte gegenseitig zu zeigen.

Und in der Tat: Die Gemeinschaft habe von Anfang an im Mittelpunkt gestanden, erläuterte der katholische Religionslehrer Heinz Rupp. Miteinander trauern, miteinander gedenken: Aus diesem Beweggrund sei sehr schnell die Ökumenische Schulgemeinschaft entstanden. Die Schreibwerkstatt war darin eines von vielen Projekten. Und so werde man das Geld aus dem Buch-Verkauf für die künftigen Projekte der Ökumenischen Schulgemeinschaft verwenden.

Alexander Schweda

(Chef vom Dienst des Evangelischen Gemeindeblattes in Stuttgart)

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